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Fougasse und Fougassette: Geschichte und Symbolik der Provence

Fougasse und Fougassette: Geschichte und Symbolik der Provence

Provenzalische Anekdote: Die Fougasso unseres Dorfes

In der Provence, im Dorf Lourmarin, hieß es:

"Wenn die Weihnachtszeit kam, brachte die Hausherrin uns die gesegnete Fougasse aus der Kirche. Die Fougasse hatte sieben Löcher, die die sieben Wunden Christi symbolisierten. Wenn man sie mit dem Messer durchschnitt, so sagte man, hätte man im nächsten Jahr kein Glück."

Diese Anekdote zeigt die einzigartige Mischung aus Aberglauben, Tradition und religiöser Symbolik rund um die Fougasse. Sie war nicht nur ein Brot, sondern ein Gegenstand voller Bedeutung und Segen. Die sieben Löcher erinnerten an die Wunden Christi, und das Zerbrechen des Brotes von Hand symbolisierte Solidarität, Teilen und Wohlstand für das kommende Jahr. Kinder und Familien warteten gespannt auf diesen Moment, denn er war ein gemeinschaftliches, fast heiliges Ritual, das Glauben, Kultur und provenzalische Geselligkeit vereinte.


Brot und Gebäck: Lebendige Erinnerung der Provence

In der Provence ist Brot nicht nur Nahrung; es symbolisiert Leben, Arbeit, Gemeinschaft und Tradition. Seit der Antike bestimmte die Brotzubereitung den Rhythmus des Dorf- und Stadtlebens, markierte Jahreszeiten, Feste und Familienzusammenkünfte.

Provenzalisches Brot ist eng mit dem Land, den lokalen Ernten und dem überlieferten Wissen verbunden. Mehl, Hefe, Olivenöl, Kräuter und Trockenfrüchte sind einfache Zutaten, die jedoch reich an Geschichte sind. Sie erzählen von der Verbindung zwischen Mensch und Natur sowie von Generation zu Generation, weitergegeben von Bäckern an Lehrlinge, von Müttern an Töchter und von Familien an Gemeinschaften.

In der provenzalischen Tradition geht manche Brotzubereitung über den Nahrungswert hinaus. Fougasse und Fougassette sind ein perfektes Beispiel: Diese Brote und Gebäcke wurden mit besonderer Sorgfalt hergestellt und waren oft mit religiösen Riten oder festlichen Anlässen verbunden. Ihre Form, Düfte und Zutaten spiegeln Kultur, Spiritualität und Geselligkeit Südfrankreichs wider.

Zu Weihnachten, Ostern oder bei einfachen Familienmahlzeiten werden Brot und Gebäck zu Symbolen von Solidarität, Segen und Großzügigkeit. Eine Fougasse zu teilen oder eine Fougassette mit Orangenblütenwasser zu verschenken, bedeutet, ein Stück sonnige Provence, ihre Traditionen und Lebensart weiterzugeben.


Ursprünge der Fougasse: Ein primitives Brot

Die Fougasse (vom lateinischen focus, „Herd“) war ursprünglich ein Testbrot.
Römische Bäcker und später die Provenzalen backten eine kleine Fladenbrotportion aus Mehl, Wasser, Salz und Hefe, um die Temperatur des Ofens vor dem Backen des eigentlichen Brotes zu prüfen.

Dieses ursprüngliche Brot wurde direkt auf dem Ofenboden gebacken, enthielt weder Öl noch Oliven oder Speck; es war rustikal und oft leicht verbrannt und wurde warm von Lehrlingen oder Bäckergesellen gegessen.


Entwicklung zu einem gefüllten Brot

Im Laufe der Zeit, insbesondere im Mittelalter und in der Renaissance, entwickelte sich die Fougasse vom Testbrot zum Genussbrot. Im Süden Frankreichs begannen die Bäcker, lokale Produkte hinzuzufügen:

  • Olivenöl zur Verbesserung der Konsistenz und des Aromas

  • Oliven, Kräuter und gelegentlich Speck oder Sardellen, je nach Region

Diese Ergänzungen verwandelten die Fougasse in ein Fest- oder Beilagenbrot und machten sie zu einem Symbol der provenzalischen Küche. Diese verfeinerte Version wurde vor allem in Marseille, Arles und Aix verbreitet.

Entwicklung der Fougasse im Überblick:

Epoche Zutaten Verwendung
Antike – Frühmittelalter Mehl, Wasser, Hefe, Salz Testbrot für die Ofentemperatur
Spätmittelalter Zugabe von Olivenöl Hausbrot zum Verzehr
Neuzeit Zugabe von Oliven, Kräutern, Speck (regional unterschiedlich) Typisches provenzalisches Brot, herzhaft und aromatisch

Eine religiöse und volkstümliche Tradition

In einigen Teilen der Provence gewann die Fougasse zu Weihnachten symbolische Bedeutung. Manchmal wurde sie in Form eines Gesichts, das Christus darstellt, modelliert und in der Kathedrale gesegnet.

Die Tradition verlangte, die Fougasse von Hand zu brechen, um sie unter den Gläubigen zu teilen, denn:

"Wenn man sie mit dem Messer schnitt, würde man im nächsten Jahr Unglück haben."

Diese Geste der Teilhabe symbolisierte Solidarität, Segen und Wohlstand für das kommende Jahr. Sie zeigt, wie Brot in der provenzalischen Kultur über den Nahrungswert hinaus zu einem spirituellen und gemeinschaftlichen Symbol wird.


Fougasse oder Fougassette?

Obwohl sie denselben kulinarischen Ursprung teilen, bezeichnen Fougasse und Fougassette nicht dasselbe Gebäck.

Merkmal Fougasse Fougassette
Herkunft Provence (Aix, Marseille, Arles) Côte d’Azur (Grasse, Nizza)
Geschmack Herzhaft Süß
Typische Zutaten Olivenöl, Oliven, Speck, Provenzalische Kräuter Mehl, Olivenöl, Zucker, Orangenblütenwasser
Verwendung Tafel- oder Vorspeisenbrot Süßgebäck zu Weihnachten oder Ostern
Symbolik Gemeinschaftsbrot, Segensritual Festliche Süße, Duft aus Grasse

Eine gemeinsame Seele, zwei Ausdrucksformen

Diese beiden Zubereitungen zeigen die jahrhundertealte Meisterschaft der Bäcker im Süden Frankreichs.
Die herzhafte Fougasse verkörpert Brot, Arbeit und Erde.
Die süße Fougassette steht für Festlichkeit und die Großzügigkeit provenzalischer Tische.

Gemeinsam erinnern sie daran, dass die provenzalische Küche nicht nur eine Lebenskunst, sondern auch lebendige Erinnerung an Gesten, Glauben und Traditionen ist.


Traditionelle Rezepte

Hier sind die beiden traditionellen Rezepte – eines für die herzhafte provenzalische Fougasse, das andere für die süße Fougassette aus Grasse. Sie spiegeln regionale Gewohnheiten, typische Zutaten und überlieferte Kenntnisse wider.

1. Provenzalische Fougasse (herzhaft, mit Olivenöl und Kräutern)

Zutaten (für 2 Fougassen)

  • 500 g Weizenmehl (T55)

  • 25 g frische Hefe (oder 8 g Trockenhefe)

  • 10 g Salz

  • 300 ml lauwarmes Wasser

  • 4 EL Olivenöl

  • Kräuter der Provence (Thymian, Rosmarin, Oregano)

  • Schwarze Oliven (optional)

  • 1 TL Zucker (für die Hefeaktivierung)

Zubereitung

  1. Hefe im Wasser mit Zucker auflösen.

  2. Mehl und Salz in einer großen Schüssel mischen. Hefe, restliches Wasser und 2 EL Olivenöl hinzufügen. 10 Minuten zu einem glatten, elastischen Teig kneten.

  3. 1,5–2 Stunden an einem warmen Ort gehen lassen.

  4. Teig in zwei Portionen teilen, oval ausrollen. Mit einem Messer Löcher oder Muster einschneiden. Mit Olivenöl bestreichen und Kräuter darüber streuen. Optional Oliven hinzufügen.

  5. Weitere 30 Minuten ruhen lassen.

  6. Bei 220 °C (Umluft) 15–20 Minuten backen, bis die Fougasse goldbraun ist.

Verzehr: Warm oder kalt als Vorspeise oder Beilage. Symbol für provenzalische Gemeinschaft und Gastfreundschaft.


2. Fougassette aus Grasse (süß, mit Orangenblütenwasser)

Zutaten (für 6 kleine Fougassettes)

  • 500 g Weizenmehl (T45)

  • 15 g frische Hefe (oder 5 g Trockenhefe)

  • 100 g Zucker

  • 100 ml mildes Olivenöl

  • 50 g geschmolzene Butter

  • 2 Eier

  • 120 ml lauwarme Milch

  • 4 EL Orangenblütenwasser

  • Prise Salz

Zubereitung

  1. Hefe in etwas Milch mit 1 TL Zucker auflösen, 10 Minuten ruhen lassen.

  2. Mehl, restlichen Zucker und Salz mischen. Eier, Olivenöl, Butter, Hefe, Milch und Orangenblütenwasser hinzufügen. 10–15 Minuten zu einem weichen, leicht klebrigen Teig kneten.

  3. 2 Stunden an einem warmen Ort gehen lassen.

  4. Teig in 6 Portionen teilen, zu 1,5 cm dicken Scheiben formen, Muster einschneiden. 45 Minuten ruhen lassen.

  5. Bei 180 °C 15–20 Minuten backen, eventuell mit leicht gesüßter Milch bestreichen.

  6. Optional mit Zucker-Orangenblüten-Wasser-Sirup bestreichen für Glanz und Duft.

Verzehr: Zum Frühstück oder Nachmittagstee. Duft und Süße erinnern an die Festlichkeiten in Grasse und die Weihnachtsbräuche der östlichen Provence.

Entschuldigung, dieser Artikel ist ausverkauft.
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